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Beitrag vom 19.09.2018
Stimmen und Impressionen der Gedenkveranstaltung für die verfolgten Lesben der NS-Diktatur am 9. September 2018
Ina Rosenthal
Unter dem Motto: "Ihr seid niemals vergessen! Wir sehen Euch! Wir gedenken Eurer!" gedachten ca. 100 Personen den lesbischen Frauen und Mädchen, die Opfer des Nationalsozialismus wurden. Die Gedenkfeier fand am Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen in Berlin statt.
In bewegenden und emotionalen Reden stellten Petra Abend/ Initiative Gedenkkugel, Axel Hochrein/ Bundesverband LSVD, Stephanie Kuhnen/ Journalistin und Autorin, Anja Kofbinger/ Abgeordnete Bündnis 90/ Die Grünen im Berlin, Ina Rosenthal / Autorin und Menschenrechtsaktivistin, klar, dass es Zeit ist, sichtbar zu werden und eine eigene Gedenkkultur zu fordern, damit Frauen, Lesben, Trans- Intersexuelle Menschen sich nicht mehr und nie wieder verstecken müssen. Entstanden war die Veranstaltung aus einer privaten Initiative von Stephanie Kuhnen, Anja Kofbinger und Ina Rosenthal. Musikalisch begleitet wurde das Gedenken von Lilli und Nirit Sommerfeld.
"Dieses Denkmal, an dem wir heute stehen, ist das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen. Seit seiner Einweihung gibt es einen zynischen und unwürdigen Kampf darum, wem hier von wem und wie und zu welcher Zeit gedacht werden darf. Es geht um mehr als nur lesbische Sichtbarkeit, es geht um Teilhabe und eine gleichberechtigte Inklusion in das Gedenken. Die Hälfte von homosexuell ist lesbisch."
betonte Stephanie Kuhnen in ihrer Begrüßungsrede.
Lesbische Opfer des Nationalsozialismus sichtbar machen
Wie wichtig es ist, immer wieder auf ganz unterschiedlichen Wegen, um eine Teilhabe und ein würdevolles Gedenken der lesbischen Frauen und Mädchen die Opfer des Nationalsozialismus wurden zu kämpfen, zeigt die fast völlige Negierung dieser Opfergruppe. In Schulbüchern und pädagogischen Konzepten finden sich keine Hinweise über deren Schicksal und auch bei Gedenkveranstaltung sind sie kaum der Rede wert.
Diese Verleugnung führt soweit, dass bis zum heutigen Tag keine Einigung gefunden wurde für ein würdevolles Gedenken der lesbischen Mädchen und Frauen im Konzentrationslager in Ravensbrück. Dies war auch der Grund dafür, dass der sogenannten "Gedenkkugel" ein besonderer Platz bei dieser Veranstaltung eingeräumt wurde. Nach den Eröffnungsreden wurden die Tonkugeln auf ein Kissen zwischen Denkmal und Redner*innen Pult gelegt. Dieses bis jetzt nicht offiziell genehmigte Gedenkzeichen für lesbische Frauen im ehemaligen KZ Ravensbrück ist seit vielen Jahren umkämpft. Petra Abel von der Initiative der Gedenkkugel erzählte in Ihrer Rede eindrücklich den langen Weg den ihre Initiative bisher gegangen ist und mit vielem Gegenwind sie bis heute zu kämpfen hat.
Seit den Achtzigerjahren versuchen lesbisch-feministische Initiativen aus Deutschland und Österreich, ihr Gedenken an lesbische Frauen in der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück sichtbar zu machen. Doch immer wieder hat die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten den Antrag auf ein entsprechendes Gedenkzeichen vertagt - trotz vielfältigerer Unterstützung von Stiftungen, Politik und der Zivilgesellschaft.
Der lange Kampf der Opfergruppen
Vehementer Gegner der Initiative ist Alexander Zinn, Vertreter des LSVD Berlin-Brandenburg im Beirat der Stiftung. Für ihn befördere ein solches Zeichen die "Legende einer Lesbenverfolgung" und sei "unseriös", weil sie sich auf "zweifelhafte Einzelfälle" stütze.
Ihm entgegen stehen jedoch zahlreiche Historiker und Historikerinnen, die ein ganz anderes Licht auf die Verfolgung von lesbischen Frauen und Mädchen werfen. Sowohl die Historikerin Claudia Schoppmann als auch Ilse Kokula z. b. widerlegen diese Aussage mit ihren umfassenden Forschungsarbeiten.
Ihnen verdanken wir das Wissen um Ilse Totzke, die wiederholt als lesbisch denunziert wurde, weil ihr Lebensstil den Normen der Gesellschaft widersprach. Die Gestapo wiederum interessierte sich für den Umstand, dass sie jüdische Freundinnen und Freunde hatte, verfolgte die Denunziationen und lud Personen, die nicht denunziert hatten, als ZeugInnen vor. Ihnen kam nun die Schlüsselrolle zu, über Totzke zu urteilen und zu bezeugen, dass sie eine untadelige "Volksgenossin" sei.
Im Jahr 1942 wurde Totzke bei dem Versuch verhaftet, mit ihrer jüdischen Freundin Ruth Basinski in die Schweiz fliehen zu wollen. Sie wurde nach Ravensbrück deportiert und war dort bis April 1945 inhaftiert.
Auch der Historiker Dr. Christian-Alexander Wäldner, der seit über 15 Jahren zur Verfolgung von Lesben und Schwulen im Nationalsozialismus forscht, engagiert sich und positioniert sich sehr klar für eine Anerkennung der Frauen und Mädchen als Opfer des Nationalsozialismus. Ein klares Zeichen setzte auch der Bundessprecher des LSVD Bundesverbands Axel Hochrein: "Unrecht kennt kein Geschlecht. Leid kennt kein Geschlecht. Es muss deshalb gerade für schwule Männer eine solidarische Verpflichtung sein, mitzuwirken und gegen das Schweigen und Vergessen mitzukämpfen!"
Ein breites Bündnis für ein würdevolles Gedenken
Beeindruckend war auch die breite Unterstützung aus Politik, Verbänden und den unterschiedlichen Communities. So legten Bündnis 90/die Grünen, Queer SPD, der Bundesverband LSVD und Dr. Ina-Marie Blomeyer, Referatsleiterin Gleichgeschlechtliche Lebensweisen, Geschlechtsidentität des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) Blumen und Kränze am Denkmal nieder. Weitere VertreterInnen aus der Politik waren anwesend wie Helmut Metzner, der Leiter der Landesgeschäftsstelle der FDP.
Anja Kofbinger, Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin und stellvertretende Vorsitzende der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen sowie Sprecherin für Frauen- und Queerpolitk von Berlin sagte zu ihrer Motivation, diesen Gedenktag mitzugestalten:
"Ich will mit der Unterstützung für diese Gedenkveranstaltung auch meinen und unseren Willen ausdrücken, Lesben und lesbisches Leben allgemein wieder sichtbar zu machen, um auch mit unserer Geschichte angemessen umzugehen.
In diesem Sinne hoffe ich, dass diese Veranstaltung nur der Anfang von etwas Beständigem ist. Sie beschäftigt sich zwar mit unserer Vergangenheit, aber sie ist so wichtig für unsere Zukunft!"
Solidarisch und Fordernd
Auch zahlreiche Aktivistinnen und Vereine waren erschienen und demonstrierten ihre Solidarität für eine sichtbare Gedenkkultur der lesbischen Opfer des Nationalsozialismus, wie zum Beispiel Vertreterinnen von "Lesben gegen Rechts", Julia Thurgau, Vorstand von ProQuote Film, sowie Jörg Litwinschuh von der Magnus Hirschfeld Stiftung:
"Meine Blumen habe ich heute bewusst an der lesbischen Gedenkkugel niedergelegt, die zum Homo-Denkmal gebracht worden war. Repression, Verfolgung und Ermordung lesbischer Mädchen und Frauen dürfen nicht marginalisiert, verschwiegen und vergessen werden."
Der Ruf nach Solidarität und gemeinsamen Kampf gegen die rechten Strömungen, die repressive Haltungen gegenüber der LSBTIQ* Communities versuchen salonfähig zu machen, verband alle Redner*innen, so forderte Ina Rosenthal in ihren Abschluss-Worten noch einmal dazu auf, Allianzen zu bilden und gemeinsam voran zu schreiten:
"Denn es geht nicht nur um unsere Geschichte, unsere Vergangenheit und die Würde der Verstorbenen, es geht auch um unsere Gegenwart, unsere Freiheit und unsere Liebe. Deshalb stehen wir heute hier gemeinsam solidarisch und sichtbar."
Weitere Informationen:
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www.lesbengeschichte.org Quellen und Studien zu lesbischen Frauen im Nationalsozialismus
www.freie-radios.netInterview mit der Historikerin Claudia Schoppmann zum Thema Lesben im Nationalsozialismus
Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
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